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» Kommst du später noch online? So war es mit ICQ und MSN «

Am 22. Juli 1999 ging der Instant-Messaging-Dienst MSN von Microsoft online - knapp ein Jahr, nachdem ICQ zum ersten Mal sein quietschendes "Ah Ouh" von sich gegeben hatte. Zwei Chatprogramme eroberten unsere Jugendzimmer und veränderten die Gesprächskultur. Für immer.



Respekt wer seine ICQ-Nummer auch noch nach über zehn Jahren auswendig weiß. Der technisch bestens ausgerüstete Mensch von heute nutzt natürlich längst WhatsApp, Fb Messenger oder Snapchat. ICQ spielt in unserem Alltag (leider) keine Rolle mehr, obwohl das Programm theoretisch noch verwendet werden könnte. Weil die Features von damals unsere Kommunikation nachhaltig geprägt haben, ist es an der Zeit für etwas Internet-Nostalgie.



Es gab nur eine Frage, die bei der Verabschiedung zählte: "Wann bist du später online?" Der erste Internetzugang wurde natürlich nicht nur dafür genutzt, um bei Hausaufgaben zu helfen oder sich mit Freunden zu verabreden.

Es war der Anfang einer Zeit, in der es nichts Besseres gab, als von der Schule oder der Arbeit nach Hause zu kommen und den grauen 1,50 Meter hohen Rechner von Papa oder seinen eigenen mit Windows 95 anzuschmeißen, um auf den Verbinden-Button zu drücken.

Den Modem-Geräuschen nach zu urteilen, handelte es sich beim Herstellen der ohnehin super langsamen Internetverbindung meist um eine schwere Geburt. Es bliebt genug Zeit, um das Mittagessen aufzuwärmen und Katja Burkard zuzuschauen, wie sie fragwürdige Familienstreits bei RTL Punkt 12 anmoderierte.

Hatte das Internet-Modem dann sein Piep- und Knarzkonzert beendet und die Internetverbindung aufgebaut, bekam man schon mal Bauchkribbeln. Endlich mit dem Schwarm chatten - sofern der denn tatsächlich online kommen konnte und keiner in der Familie das Festnetz blockierte.
Ich habe allerdings mit Kumpels geschrieben oder mit Leuten aus dem Forum - Tappi ging mir teilweise auch ganz schön auf die Nerven Grinsen

Ab vier offenen Fenstern war Schluss mit nachmittäglichem Spaß im Netz. Chatten, das war Vollzeitjob und Multitaskingtraining in einem. Dabei handelte es sich retrospektiv wohl eher um eine Vorbereitung auf die Masse an Nachrichten, die bald jeden Tag auf uns einprasseln sollte.

Und das nicht nur, wenn man selbstbestimmt den Entschluss fasste, am Rechner (!) online zu gehen. "Als offline anzeigen" war der Klassiker unter den konversationsscheuen Incognito-Usern und besonders coolen Girls, die nie wirklich online waren, aber verdächtig schnell antworteten.

Tappi konnte das auch gut, stand auch meist als Offline da, aber kaum war ich online schrieb der mich an ... ging meist ums Forum

Es gab Tage, da hat man auf nichts anderes gewartet, als das Aufpoppen dieser einen E-Mail Adresse oder dem einen Nutzernamen in der Chatleiste am rechten Rand des Bildschirms. In den meisten Fällen bestand die Leiste aus einer Auflistung von Namen und Mailadressen, die sonderbare Buchstaben und Zahlenkombination beinhalteten. scr3ama89 @ No Spam Mail ist online. Tag gerettet.
Bei ICQ waren es Nummern, wobei hatte man diese Nummern in der Freundesliste, standen auch Namen dabei.

Wenn also heute ein Mitte 30-Jähriger sagt: "Früher war alles anders", dann stimmt das nicht ganz, denn eigentlich war früher alles gar nicht so anders. Das wird gerne verdrängt, wenn man sich im Bus über Zwölfjährige aufregt, die erfolgreicher auf Snapchat unterwegs sind als man selbst. Das Internet war schon ende der 90er/Anfang 2000 das Tor zur Welt, nur wog es eben zehn Kilo. Und stand zu allem Überfluss auf dem Schreibtisch.

Chat-Konversationen wurden bei Bedarf blitzschnell abgebrochen. Es gab dafür zwei Möglichkeiten: Entweder man setzte mit Abwesenheitsnotizen eindeutige Statements - besonders beliebt waren "Be right back" oder "Away from Keyboard".

Die Regel war: Entweder du sitzt wie auf Kohlen vor dem Schirm, um dir das Gelaber über verlorene Handballturniere anzuhören, oder du gehst off, um eine Runde "IGI 2" zu spielen. Wie rücksichtslos! Dabei war der Datentransfer zu "Misery" von Green Day nach vier Stunden doch fast abgeschlossen.

Sich über illegale Downloads auf Limewire Viren einzufangen, die dann den Computer deiner besten Freundin wochenlang lahmlegten, gehörte zum Standard-Fail der 2000er Jahre.

Wenn wir uns heute davon stressen lassen, daß eine App (ein Programm) fünf Minuten nicht abrufbar ist, sollten wir an die Zeit zurück denken, in der keiner im Haus telefonieren konnte, weil das neue ICQ-Update 25 Megabyte groß war.

Wer als Teenager MSN und ICQ nutzte, ist in einer Zeit aufgewachsen, in der dir immer diese eine Person die schönste Schrift klaute und im Gegenzug nicht mal ihre coolen Buchstaben-Smileys rüberschickte. Der Moment, indem :-* zu einem gelben Smiley mit Kussmund wurde, fühlte sich an wie ein Quantensprung der Technik.

Fazit: Früher war nicht alles anders wie heute, aber es war irgendwie besser und schöner.



Gepostet am 21.01.2018 um 17:59 von:
Benutzer: LaForge
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